Maria, Braut des Heiligen Geistes

Maria, Braut des Heiligen Geistes

Christian Hecht, Erlangen

Wer die schöne Wallfahrtskirche Maria Vesperbild in der Nähe von Augsburg besucht, bemerkt es vielleicht gar nicht: ein eher kleines Fresko der Gottesmutter an der Brüstung des (…) Oratoriums im Chorraum. Es handelt sich um ein 1754/55 gemaltes Werk Balthasar Riepps, eines Künstlers, der vor allem im Schwäbischen tätig war. Innerhalb eines Rahmens aus qualitätvollem Rokokostuck erscheint vor goldenem Grund das Brustbild Marias. Das Haupt der Himmelskönigin wird von einem Sternenkranz umgeben, in ihrer Rechten hält sie ein Zepter.

Diese Motive sind nicht ungewöhnlich, erstaunlich ist allerdings die Taube des Heiligen Geistes, die Maria mit ihrem linken Arm umfängt. Die Taube trägt im Schnabel einen Ring. Er ist für die Hand Marias bestimmt. Aus diesem Grund spreizt sie auch den Ringfinger in einer anatomisch nahezu unmöglichen Haltung ab. So wird deutlich, dass die Gottesmutter als „Braut des Heiligen Geistes“ verherrlicht wird – ein Ehrentitel, der in seinem Realismus heute vielleicht Anstoß erregt, der aber angesichts einer langen Tradition eigentlich nur richtig verstanden werden kann.

Seitdem das Konzil von Ephesus im Jahre 431 bestätigt hatte, dass man Maria „Gottesmutter“ nennen darf, war die Möglichkeit für solche Aussagen gegeben. Das richtige Verständnis erfordert natürlich, nicht etwa den Heiligen Geist als Vater Christi hinzustellen. Dieser Irrtum wurde 675 auf der elften Synode von Toledo zurückgewiesen. Der Titel „Braut des Heiligen Geistes“ findet sich jedenfalls schon in der Spätantike und vor allem im Mittelalter. In den Betrachtungen über das Leben Christi, die dem heiligen Bonaventura zugeschrieben wurden, liest man zum Beispiel, dass Maria bei der Verkündigung „vom Vater als Tochter, vom Sohn als Mutter und vom Heiligen Geist als Braut angenommen“ wurde. Im Hintergrund steht der Verkündigungsbericht des Lukas: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“ (Lk 1,35)

(…) Wie eine Zusammenfassung dessen, was Barockzeit an pfingstlicher Marienverherrlichung bieten konnte, erscheint der 1722/23 geschaffene Hochaltar des ehemaligen Augustinerchorherrenstiftes von Rohr. (…) Das Hochaltarretabel ist ein Werk Egid Quirin Asams, der zusammen mit seinem Bruder Cosmas Damian zu den wichtigsten Künstlern des bayerischen Barock zählt. Auf den ersten Blick erkennt man, dass die Himmelfahrt Marias gezeigt wird. Unten steht der offene Sarkophag, um den die Apostel versammelt sind. Im Zentrum schwebt Maria gen Himmel, wo sie Gottvater und Christus erwarten, die bereits Krone und Zepter bereithalten. Etwas unterhalb erscheint die Taube des Heiligen Geistes. Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass sie einen Ring im Schnabel trägt. Er ist – wie in Maria Vesperbild – für die Hand Marias bestimmt. Die ekstatische Gestik Marias, ihre Armhaltung der und die Fingerstellung ihrer Hand erklären sich daraus, dass sie eben im Begriff ist, sich diesen Ring an den Finger stecken zu lassen. Der Ring erschließt also erst den Sinn der ganzen Komposition: die Aufnahme Marias in den Himmel wird als Vermählungszeremonie aufgefasst.

Was in der Verkündigung begann, wird jetzt vollendet. Dem entspricht, dass Maria in Weiß und Blau gekleidet ist, also in die Farben, die regelmäßig bei Darstellungen der „Unbefleckten Empfängnis“, die eben der Kern der Verkündigung ist, verwendet werden. Jeden Zweifel daran, dass hier eine ganze Mariologie ins Bild gesetzt wird, beseitigt die lateinische Inschrift: „Una columba veni, cape trina insignia namque unius es, filia sponsa parens.“ Ins Deutsche übertragen bedeutet sie: „Maria, Du einzige Taube, komm, empfange die drei Ehrenzeichen (das heißt Krone, Zepter und Ring), weil Du des Einzigen Tochter, Braut und Mutter bist“.

Maria selbst wird hier in Anspielung auf die Sprache des alttestamentlichen Hohen Liedes Taube genannt. Realistischer lässt sich das bräutliche Verhältnis zwischen Maria und dem Heiligen Geist kaum ausdrücken – aber in einer Religion, deren zentrales Geheimnis die Fleischwerdung des ewigen göttlichen Wortes ist, darf man sich darüber kaum wundern. Steht aber vor diesem Altar ein Priester, der die Hostie erhebt, dann vollendet sich die Aussage dieses Werkes im Messopfer, in dem die Fleischwerdung und die aus ihr folgende Erlösung des Menschen, die sich an Maria schon vollzogen hat, im Heute greifbar wird.

zurück zur Übersicht

Print Friendly, PDF & Email