„Und das Wort ist Fleisch geworden…“ (Joh 1,14)
Kanonikus Gerald Healy +, Geistlicher Leiter der Curia Veneranda, Dublin
Wir blicken jetzt auf das größte Ereignis, das sich je auf dieser Erde ereignet hat – das Kommen ihres Schöpfers – zurück. Während wir an den Segnungen, die er gebracht hat, festhalten, erwarten wir seine Wiederkunft. Zunächst denken wir daran, dass Gott selbst Mensch geworden ist und unter uns wie ein Mensch mit allen Stärken und Schwächen – außer der Sünde – gelebt hat. Er nannte sich „Menschensohn“. Er ist ein Teil des gefallenen Menschengeschlechtes geworden und hat freimütig an seiner Person das Schlimmste, das Menschen tun können, erfahren.
„Jahrhunderte vor seinem Erscheinen kam ein Prophet nach dem anderen und schaute von seinem hohen Turm nach ihm durch die finstere Nacht aus, wartete auf den schwächsten Schein der Dämmerung. Da sagte einer von ihnen: ‚Ich halte meine Wache, setze meine Füße auf dem Turm fest und möchte sehen, was mir gesagt wird. Denn jetzt ist die Vision noch ferne‘ (…)“ (J. H. Newman)
Und in welch unterschiedlicher Haltung wurde der Messias empfangen, als er endlich kam. Im Prolog des Johannes-Evangeliums wird dies zusammengefasst. Zuerst wird von seiner Präexistenz gesprochen. „Das Wort war Gott… und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist“ (Joh 1,1-3). Dann folgt das Geheimnis des freien Willens des Menschen. „Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1,10f.). Der hl. Johannes, der Jünger der Liebe, stellt mit brennender Liebe zu seinem Herrn indigniert fest, wie jene, die so viel Gutes vom Herrn erfahren haben, den Herrn behandeln.
Aber es gibt noch eine andere Seite der Medaille: „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12). In seinem ersten Brief schreibt Johannes: „Seht wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es“ (1 Joh 3,1).
Viele hatten diesen Vorzug von Geburt an. Andere erhielten ihn später. Wir können mit J. H. Newman sagen: „Welch große Freude und Dankbarkeit sollte uns bei dem Gedanken erfüllen, dass Gott uns in die Kirche seines Sohnes aufgenommen hat; Hoffnung hier zu haben und den Himmel danach, mit Christus auf dem Berg zu sein, während die arme Welt sich am Fuß des Berges ratlos und streitend befindet“. Wir aber haben gegenüber dieser „armen Welt“ eine Verpflichtung. Ein Christ ist jemand, dem Gott die Sorge um seine Mitmenschen anvertraut hat. Gott liebt sie alle und will mit ihnen seine Glückseligkeit teilen. Er rechnet mit der Hilfe der getauften Gläubigen. Aus der Taufe resultieren zwei Pflichten: nach Heiligkeit streben und Apostolat zu machen. Das durch die Taufe empfangene übernatürliche Leben muss erhalten und entwickelt werden.
Kein Fortschritt ist Rückschritt. „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ (Mt 5,48). Wir streben nach Vollkommenheit, indem wir das Vollkommene suchen, nämlich Gott. Alles, was wir für die Erhaltung und Entwicklung unternehmen, macht uns Christus ähnlicher – durch kindliche Unterwerfung unter den himmlischen Vater. Jesus sagte: „Es geht mir nicht um meinen Willen, ich tue immer das, was ihm gefällt“ (vgl. Joh 5,30; 8,29). Auf diese Weise wollen wir der Gottesmutter folgen. „Alle Heiligkeit besteht in der Gottesliebe und alle Gottesliebe besteht darin, seinen Willen zu tun“ (hl. Alfons Maria von Liguori).
Die Gottesliebe umfasst die Liebe für alle, die Gott liebt. Daraus leitet sich die Pflicht für das Apostolat ab. Die drei Elemente des Apostolats, gereiht nach ihrer Wichtigkeit, sind erstens das Gebet, zweitens die Versöhnung und drittens das Handeln. Unser treues Festhalten am Legionssystem in Wort und Geist sorgt für alle diese Elemente. Wir wissen, dass wir, ungeachtet der uns begegnenden Schwierigkeiten, immer auf der Siegerseite stehen. Wir erwarten mit freudiger Hoffnung die Wiederkunft des Herrn und den glorreichen Triumph unseres Retters. Aber bis dahin gibt es Arbeit, für die wir zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn wir nachlässig sind, werden Ungläubige und Sünder, die wir besuchen könnten, nicht besucht. Täglich werden die Gebote Gottes missachtet, und es gehen Seelen verloren. Große Teile der Welt müssen evangelisiert oder reevangelisiert werden. In vielen Gleichnissen spricht der Herr von Dienern und anderen, manche eifrig, manche nachlässig. Die Rückkehr des Herrn oder Besitzers ist unerwartet und plötzlich, denn weder der Tag noch die Stunde sind bekannt. Für uns alle kommt der Tag der Abrechnung in der Todesstunde. Natürlich misst Gott Absichten, nicht Ergebnisse; wir werden nach unserer Vollkommenheit und nicht nach unseren Ergebnissen gerichtet.
Der große Papst Pius XI. (1922 -1939) hat sich gegen drei mächtige Ideologien gestellt: den Kommunismus, den Nazismus und den Faschismus. Einmal hat er etwas gesagt, das genau zu der überhand nehmenden Verweltlichung unserer Zeit passt: „Gut und Böse liegen miteinander in einem gewaltigen Kampf, man sollte stolz darauf sein, eine Rolle in diesem riesigen Konflikt zu spielen“.